DAS URNENFELDERZEITLICHE GRÄBERFELD VON FRANZHAUSEN-KOKORON - TEXTE/TAFELN

 

LITERATUR

 

 DAS URNENFELDERZEITLICHE GRÄBERFELD VON

FRANZHAUSENKOKORON ABSTRACT  [ENGLISH VERSION]

Michaela Lochner
© by OREA/ÖAW 2016

 

Die ersten Brandgräber in Franzhausen-Kokoron (MG Nußdorf ob der Traisen, VB St. Pölten) wurden im Jahre 1981 während des Baues der Kremser Schnellstraße S 33 angeschnitten. Durch sofort eingeleitete Rettungsgrabungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes unter der Leitung von Johannes-Wolfgang Neugebauer konnten in den Jahren 1981–1984 und 1991 auf einer ca. 12.000 m2 großen Fläche 403 Gräber der jüngeren Urnenfelderkultur geborgen werden. Die Bestattungen sind wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes teilweise stark gestört. Es gibt jedoch 111 ungestörte Gräber, die die Basis für unsere weiteren Auswertungen darstellen. Berücksichtigt man die Verluste durch Bauarbeiten und insbesondere durch das Pflügen, kann man einen ursprünglich ca. 500 Bestattungen zählenden Friedhof annehmen.

Der Bestattungsplatz gliedert sich in eine ältere Ostgruppe und eine dichter belegte, jüngere Westgruppe, wobei die Belegung in der Stufe Ha A2/B1 (ca. 1050 v. Chr.) beginnt und im Verlauf von Ha B3 (ca. 800 v. Chr.) endet.

An einer Stelle inmitten des jüngeren Friedhofteils wurde unter dem Humus auf einer unregelmäßig ovalen Fläche von 3,0 m x 2,5 m eine aschige, holzkohlehaltige Schicht angeschnitten. Es handelt sich vermutlich um die Reste eines zentralen Verbrennungsplatzes.

Bei den insgesamt 403 Gräbern sind – je nach Erhaltungszustand – Urnengräber (268), davon 24 Doppelbestattungen und Gräber mit nicht erkennbarer Bestattungsart (135) unterscheidbar; Brandschüttungsgräber sind nicht nachweisbar.

Es handelt sich in der Mehrzahl um rund-ovale, seltener um quadratische Grubengrundrisse von 0,4–1,0 m Durchmesser bzw. Kantenlänge.

Abgesehen von vier Grabgräbchen und zwei zu einem Grab gehörigen Pfostengruben zeigen die Befunde keine auffälligen Elemente der Grabarchitektur. Urne und Beigaben, soweit erkennbar zumeist auf der Grabsohle abgestellt, füllten in der Regel die Grabgrube voll aus.

Im Bereich der älteren Gräber wurden außerdem zehn Gruben mit ausgeglühten Steinen ohne Leichenbrand dokumentiert.

Insgesamt konnten 529 Metallobjekte aufgenommen werden. Die Bronzeobjekte sind intakt oder feuerdeformiert und es gibt eine große Anzahl an Schmucknadeln (vor allem Vasenkopfnadeln und Zwiebelkopfnadeln), Fibeln (einteilige Drahtbügelfibeln, Brillenfibeln, Harfenfibeln), Arm- und Halsreifen, diverse Ringe (u. a. ein goldener Lockenring) und Zierknöpfchen, als Besonderheit Gürtelschnallen und Ohrgehänge mit blauen Glasperlen, weiters zahlreiche kleine Scheiben- und Ringperlen aus Knochen-, Mollusken- und Steinmaterial gefertigt sowie Molluskenschmuck aus Märzenschnecken (Zebrina detrita, Bearbeiterin Univ.-Doz. Dr. Christa Frank).

An Werkzeug und Geräten sind besonders die zahlreichen Messer zu nennen (vor allem große Griffdornmesser mit geradem Rücken, Vollgriffmesser und Griffangelmesser, vereinzelt auch Eisenmesser), weiters Rasiermesser (halbmondförmige Rasiermesser mit Ringgriff, Typ Herrenbaumgarten und Určice), zahlreiche Nähnadeln, zwei Ahlen und als Einzelfunde ein kleiner Spinnwirtel aus Bein, ein Angelhaken und eine Pfeilspitze – von dieser abgesehen fehlen Waffen gänzlich.

Speziell herauszustreichen sind eine Bronzetasse vom Typ Jenišovice aus Grab 722, eine kalottenförmige Bronzeschale mit fein eingeritzten, hängenden Dreiecken unterhalb des Randes (Grab 31) und bronzene Randbeschläge von organischen Gefäßen.

Hervorzuheben sind auch etliche Gräber mit sogenannten Astragalsätzen, wobei durchaus verschiedene Tierarten simultan vertreten sein können.

Unter der Grabkeramik, insgesamt 1427 Objekte, kann ein breites Spektrum unterschiedlicher Gefäßtypen und Varianten mit verschiedenen Verzierungsmotiven differenziert werden. Ihre funktionelle Ansprache wird wie folgt definiert: Urne (Leichenbrandbehälter mit meist mitverbranntem Schmuck, vorwiegend das größte Gefäß im Grab), Beigefäß, Abdeckung, Streuscherbe (sekundär gebranntes Gefäßbruchstücke) und Fragmente.

Aus 353 Gräbern des urnenfelderzeitlichen Brandgräberfeldes von Franzhausen-Kokoron konnten 339 Individuen anthropologisch identifiziert werden (Bearbeitung Dr. Silvia Renhart). Die Gräber setzen sich aus 291 Einzel- und 24 Doppelgräber zusammen sowie 38 mit völlig „unbestimmbaren bis keinen“ menschlichen Resten.

Die Individualdatenanalyse ergab u.a. 89 (26,2 %) Männer, 147 (43,4 %) Frauen, 90 (26,5 %) Subadulte und 13 (2,9 %) „19–60 Jährige“. Der Erhaltung nach herrscht eine überwiegend kleinteilige Knochenzusammensetzung – meist aller Regionen – vor, wobei auf die männlichen Individuen größere Stücke sowie höhere Leichenbrandgewichte (im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie bei weiblichen) entfallen.

Die vorherrschende Kombination bei den Doppelbestattungen ist „Frau-Subadult“ (41,7 %) gefolgt von „Mann-Frau“ (33,3 %) und „Mann-Subadult“ (20,8 %).

Rückschlüsse u.a. anhand des Verbrennungsgrades zeigen, dass bei der überwiegenden Anzahl der subadulten und weiblichen Toten etwas höhere Verbrennungstemperaturen (über 650 Grad Celsius) zustande kamen als bei den männlichen Verstorbenen (500–650 Grad Celsius).

Die höchste Sterbefrequenz liegt bei beiden Geschlechtern in der Sterbealtersklasse „adult“. Die mittelrobust bis robust gebauten Männer wurden im Durchschnitt 37,3 Jahre und die eher grazilen Frauen 31,4 Jahre alt. Das Leben dieser Menschen war von zahlreichen alters- und abnützungsbedingten Erkrankungen sowie chronischen Infektionen und Hungerperioden geprägt.

Speisebeigaben sind in Form von unverbrannten, in seltenen Fällen von verbrannten Tierknochen erhalten (Bearbeiter Mag. Dr. G. K. Kunst). Vielfach lagen sie auf einer Schale und waren mit einem Messer kombiniert. Ca. 100 Gräber enthielten einen oder mehrere entsprechende Fundposten von insgesamt 134 Tieren. Den zahlenmäßig bedeutendsten Anteil nehmen zusammengehörige Skelettelemente vom Hausschwein und Hausschaf ein, so waren in über 40 Gräbern Schulterknochen als Überreste von zugerichteten Fleischportionen beigegeben.


 THE LATE BRONZE AGE CEMETERY OF

FRANZHAUSENKOKORON – ABSTRACT 

Michaela Lochner
© by OREA/ÖAW 2016

 

The first cremation graves were discovered at Franzhausen-Kokoron (MG Nussdorf ob der Traisen, VB St. Pölten) during the construction of the Krems motorway S33 in 1981.

Johannes-Wolfgang Neugebauer, Department of Archaeological Monuments of the Federal Monuments Office, immediately launched rescue excavations that took place from 1981 to 1984 and in 1991and uncovered a total of 403 Late Urnfield Culture graves over an area of about 12.000 m2. A large proportion of burials were disturbed because of intensive agricultural use of the land. However, 111 graves were found undisturbed, and form the basis of our analysis. Taking into account the losses due to construction work and ploughing, one can assume the cemetery originally encompassed about 500 burials.

The cemetery is divided into an earlier eastern group and a later, more densely occupied western group. The earliest use dates to Ha A2/B1 (c. 1050 BC), and the end dates during HA B3 (c. 800 BC).

In the centre of the later part of the cemetery, an ashy, charcoal-containing layer was found. Spread over an irregular oval area of 3.0 m by 2.5 m, this is most likely the remains of a central place for funerary pyres. Among the total of 403 graves, 268 urn graves were found, including 24 double burials. In 135 cases, the mode of burial could not be determined due to poor preservation. Graves with scattered cremations were not identified.

The grave pits are usually round to oval or square, with a diameter or side length of 0.4 to 1.0 m. Apart from four small ditches surrounding the graves and two postholes associated with a grave, no obvious elements of grave architecture were found. As far as was recognisable, the urn and the grave goods were placed on the bottom of the grave pit, which usually filled the pit completely. In the area of the earlier graves, ten pits were found that did not contain cremated human remains, but rather contained stones that had been affected by fire.

A total of 529 metal objects were recorded. The bronzes were found intact or deformed by fire, and there are a large number of dress pins (especially vase-headed and onion-headed pins), fibulae (one-piece wire bow fibulae, spectacle fibulae and harp fibulae), arm and neck rings, various small rings (including a golden Lockenring) and decorative bronze rivets. Extraordinary finds include belt buckles and earrings with blue glass beads. Further, numerous small disc and ring beads made of bone, mollusc and stone material were found, as well as mollusc jewellery made of land snails (Zebrina detrita, according to Christa Frank).

Numerous knives are among the tools and devices (particularly half tanged knives (Griffdornmesser) with straight back, tanged knives (Griffplattenmesser) and fully-hilted knives (Vollgriffmesser), occasionally also iron knives), along with razors (crescent-shaped razors with ring handle, of Herrnbaumgarten and Určice types), numerous sewing needles, two awls and a single small spindle whorl made of bone, a fishhook and an arrowhead – apart from this find, weapons are entirely absent.

Special finds include the bronze cup of Jenišovice type from Grave 722, a spherical bronze cup with finely incised hanging triangles below the rim from Grave 31 and bronze rim fittings from organic vessels.

Several graves contained sets of knucklebones (astragali), from various animal species.

A wide range of vessel types and variants with different ornament designs was found among the total of 1427 ceramic objects in the graves. According to their function, the following vessel types were defined: urn (container of cremated human remains, often also contains bronze dress elements that had been on the pyre, usually the largest vessel in the grave), auxiliary vessel, cover, stray sherd (secondary fired vessel fragments) and fragments.

Silvia Renhart anthropologically identified 339 individuals from the 353 graves of the Urnfield Culture cremation cemetery of Franzhausen-Kokoron. The graves include 291 individual and 24 double graves as well as 38 graves without identifiable fragments or no human remains.

The data analysis revealed 89 (26.2 %) men, 147 (43.4 %) women and 90 (26.5 %) sub-adult individuals, as well as 13 (2.9 %) 19-60 year-olds of unknown sex. The cremated remains are predominantly present in small fragments of all body regions. Male individuals are usually associated with larger fragments as well as heavier weights of the bone assemblages (on average almost twice as high as those of females).

The prevailing combination of persons in the double burials is woman with sub-adult (41.7 %), followed by man and woman (33.3 %) and man and sub-adult (20.8 %).

Sub-adult and female individuals were, on average, exposed to higher cremation temperatures (over 650 °C) than male individuals (500-650 °C). Both sexes have the highest risk of death in the adult age class. The medium to robustly built men had an average life expectancy of 37.3 years, the rather gracile women an average life expectancy of only 31.4 years.

The lives of the people in this community were characterised by age-related and degenerative diseases as well as chronic infections and episodes of hunger and starvation.

Remnants of food offerings are present in the form of unburnt, and in rare cases burnt, animal bones (Günther K. Kunst). In many cases, they lay on a ceramic bowl and were combined with a knife. Approximately 100 graves contained one or more bones of a total of 134 animals. Skeletal elements from domestic pig and domestic sheep were most prevalent; over 40 graves included shoulder bones as remains of portioned cuts of meat.

 

 

 – LITERATUR –


Lochner M.,  Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Franzhausen-Kokoron – Abstract, Version 03/epub, Wien 2016, © by OREA/ÖAW 2016. Doi: 10.1553/Dokumentation_UFK_Abstract                  


Lochner M., Hellerschmid I.,  Fundmaterial und Befunde des  urnenfelderzeitlichen Gräberfeldes von Franzhausen-Kokoron – Tafelformat, Version 03/epub, Wien 2016, © by OREA/ÖAW 2016. Doi: 10.1553/Dokumentation_UFK_Tafeln


Lochner M., Hellerschmid I., Die typologische Gliederung des Fundmaterials des urnenfelderzeitlichen Gräberfeldes von Franzhausen-Kokoron, Version 03/epub, Wien 2016, © by OREA/ÖAW 2016. Doi: 10.1553/Dokumentation_UFK_Typen


Renhart S., Zur Anthropologie des urnenfelderzeitlichen Gräberfeldes von Franzhausen-Kokoron, Version 03/epub, Wien 2016, © by OREA/ÖAW 2016. Doi: 10.1553/Dokumentation_UFK_Anthro