Bermann, Richard Arnold; Ps. Arnold Höllriegel, Belial, Ariel, Baptist, R. Merlin (1883–1939), Journalist und Schriftsteller

Bermann Richard Arnold, Ps. Arnold Höllriegel, Belial, Ariel, Baptist, R. Merlin, Journalist und Schriftsteller. Geb. Wien, 27. 4. 1883; gest. Saratoga Springs, NY (USA), 5. 9. 1939; mos., ab 1938 röm.-kath. Sohn des Versicherungsbeamten Moritz Bermann und seiner Frau Hannchen Bermann, geb. Friedländer. – Durch den Beruf des Vaters bedingt, übersiedelte die Familie 1884 nach Prag, wo B. die unteren Klassen des Gymnasiums absolvierte, und 1897 nach Wien, wo er 1902 maturierte. Anschließend studierte er romanische Philologie an der deutschen Universität Prag, ab 1903 an der Universität Wien (Dr. phil. 1906). Erste journalistische Arbeiten unter Pseudonymen entstanden ab 1905, v. a. für die Wiener Zeitschrift „Der Weg“. 1908 wechselte er nach Berlin und verfasste Feuilletons u. a. für das „Berliner Tageblatt“ und die „Vossische Zeitung“. Anfang 1914 unternahm er die erste große Reise über Ägypten nach Indien, kehrte aber mit Ausbruch des 1. Weltkriegs nach Wien zurück. Während der Kriegsjahre publizierte B., der auch für das Österreichische Kriegspressequartier tätig war, v. a. in der linksliberalen Zeitung „Die Zeit“, später auch in „Der Friede“. 1919 war er als Berichterstatter Mitglied der Österreichischen Friedensdelegation in St. Germain und traf dort erstmals mit →Rudolf Slatin Pascha zusammen. In der Folge veröffentlichte er regelmäßig Beiträge im „Prager Tagblatt“ und im „Berliner Tageblatt“, Letzeres wurde in den 1920er-Jahren sein hauptsächliches Publikationsorgan. In diese Zeit bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten fiel B.s Karriere als vielgelesener Reiseschriftsteller (Reportagen, Artikel, Monographien, Romane). So besuchte er u. a. 1923 Ägypten und Palästina („Palästina. Ein Reisebuch“, 1923, gemeinsam mit Artur Rundt), 1924 die Amazonasmündung („Das Urwaldschiff“, 1927), 1925/26 Kanada, Polynesien, Neuseeland, Panama („Tausend und eine Insel“, 1927). 1926/27 verbrachte B. mehrere Monate in Hollywood („Hollywood Bilderbuch“, 1927), 1927–28 hielt er sich in England und wieder in den USA auf, wo er mit Charlie Chaplin zusammentraf („Lichter der Großstadt. Der Film vom Strolch Charlie, dem Millionär und dem blinden Mädchen“, 1931). 1929 reiste er erneut nach Ägypten bzw. in den Sudan und besuchte dort Sir Abderrahman el-Mahdi, den Sohn des Mahdi Mohammed Ahmad („Die Derwischtrommel. Das Leben des erwarteten Mahdi“, 1931; englische Ausgabe mit Vorwort von Winston Churchill „The Mahdi of Allah. The Story of the Dervish Mohammed Ahmed“, 1931). 1930 folgte wiederum ein Aufenthalt in Afrika, erstmals mit dem Photographen Hans Casparius, 1931 in Kanada und Alaska, 1932 in Amazonien. 1933 nahm B. an der Expedition von László Almásy in die Libysche Wüste zur Auffindung der verschollenen Oase Zarzura teil, bei der prähistorische Felsmalereien im Gilf Kebir und im Uweinat entdeckt wurden („Zarzura, die Oase der kleinen Vögel“, 1938). Während der Expedition erfolgte die Kündigung durch das „Berliner Tageblatt“, 1935 das Verbot sämtlicher Schriften in Deutschland. 1933–38 lebte und publizierte B. vorwiegend in Wien bei den Zeitungen „Die Stunde“ und „Der Tag“. Seine Schriften nahmen zunehmend politischen Charakter an, indem er sich für die Demokratie einsetzte, das autoritäre Regime in Österreich lehnte er entschieden ab. 1935 war B. wesentlich an der von Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg erfolgten Gründung der American Guild for German Cultural Freedom beteiligt, ebenso 1936 an jener der Deutschen Akademie der Künste und Wissenschaften im Exil. Ab Beginn 1938 übte er die Vertretung der American Guild in Europa aus, die zahlreiche Schriftsteller bei der Emigration unterstützte. Ihm selbst gelang nach dem „Anschluss“ Österreichs die Flucht über Prag und London nach New York erst beim dritten Versuch. Dort war er fast ausschließlich für die American Guild tätig. Den Sommer 1939 verbrachte er als Stipendiat im Künstlererholungsheim Yaddo, wo er verstarb. B. schrieb hunderte Artikel, Essays und Reportagen für die Tagespresse in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei sowie ca. 20 Bücher. Seine Werke ergeben ein umfassendes Bild der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Situation Europas und der Welt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Weitere W.: Das Seil. Eine Ehegeschichte, 1914; Bimini, 1923; Die Erben Timurs, 1928; Du sollst dir kein Bildnis machen, 1930; Das Mädchen von Sankt Helena, 1933; Home from the Sea, 1939; Die Fahrt auf dem Katarakt. Eine Autobiographie ohne einen Helden, ed. H.-H. Müller, 1998.
L.: Bolbecher–Kaiser; Hdb. der Emigration; Killy; W. Schaber, in: Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, 2/1, ed. J. M. Spalek – J. Strelka, 1989, S. 384ff.; H.-H. Müller – B. Eckert, R. A. B. alias Arnold Höllriegel. Österreicher – Demokrat – Weltbürger, Frankfurt am Main 1995 (Kat.); E. Czerny, in: Grenzgänger. Jüdische Wissenschaftler, Träumer und Abenteurer zwischen Orient und Okzident, ed. Th. L. Gertzen – J. H. Schoeps, 2020, S. 285ff.; Künste im Exil (mit Bild, Zugriff 19. 6. 2020); UA, Wien.
(E. Czerny)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)