Claus, Carl Friedrich (1835–1899), Zoologe

Claus Carl Friedrich, Zoologe. Geb. Kassel, Hessen-Kassel (D), 2. 1. 1835; gest. Wien, 18. 1. 1899; evang. AB. Sohn des Münzwardeins Heinrich Claus und der Charlotte Claus, geb. Richter; ab 1864 verheiratet mit Camilla Claus, geb. von Napolski (gest. 1869), ab 1871 mit der Engländerin Rose Claus, geb. Warder (gest. 1873), ab 1873 mit Anna Claus, geb. Waetge (Scheidung 1883). – Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte C. ab 1854 Medizin und Naturwissenschaften an der Universität Marburg. Nach zwei Jahren wechselte er an die Universität Gießen als Schüler von Rudolf Leuckart; 1857 Dr. phil. an der Universität Marburg mit der Dissertation „Das Genus Cyclops und seine einheimischen Arten“. Bereits ein Jahr später erschien seine Habilitationsschrift „Über den Bau und die Entwicklung parasitischer Crustaceen“. Ab 1859/60 lehrte er als Dozent an der Universität in Würzburg. Dort spezialisierte sich C. auf Untersuchungen von Crustaceen sowie Coelenteraten und unternahm Studienreisen nach Helgoland, Messina und Neapel. 1860 wurde er zum ao. Professor für Zoologie in Würzburg ernannt, 1863 erfolgte seine Berufung als Ordinarius an die Universität in Marburg, 1870 nach Göttingen. 1873 übersiedelte C. nach Wien. Als einem der Vertreter der modernen Zoologie wurde ihm die Lehrkanzel für Zoologie und gleichzeitig die Leitung der zu errichtenden zoologischen Station in Triest angeboten. Die moderne „wissenschaftliche“ Zoologie sah ihre Aufgabe nicht nur, wie damals allgemein üblich, in der Beschreibung der Tiere, sondern auch darin, durch vergleichend-anatomische Untersuchungen, durch Studien der Entwicklung, Physiologie und der geographischen Verbreitung Zusammenhänge aufzuzeigen. C. war ein Verfechter der Lehren Charles Darwins, den er anlässlich eines Besuchs in England kennenlernte. Eine Lehrtätigkeit vor einem weit größeren Zuhörerkreis als in Göttingen, die Möglichkeit genügend marines Untersuchungsmaterial durch die Station in Triest zu erhalten, sowie die Zusicherung, in der Ausbildung der Mediziner als Zoologe tätig sein zu dürfen, überzeugte ihn, das Angebot anzunehmen. Als 1896 von der Fakultät, gegen seinen Willen, die Gründung eines zweiten zoologischen Instituts unter Leitung seines ehemaligen Schülers und Mitarbeiters →Karl Grobben beschlossen wurde, reichte er seinen Rücktritt ein. C. wollte ein einheitlich großes und bedeutendes zoologisches Institut und nicht zwei kleinere Lehrkanzeln. Seine zahlreichen Publikationen behandelten in erster Linie Crustaceen und Coelenteraten, aber auch die Fortpflanzung und Entwicklung der Gliederfüßer (Arthropoden) und Würmer. Als sein hervorragendes Werk gilt die Herausgabe des in mehreren Auflagen erschienenen zweiteiligen Lehrbuchs „Grundzüge der Zoologie“ (1861–68). Da dieses für Studenten jedoch zu umfangreich war und kein Bildmaterial aufwies, gab C. 1880 ein „Kleines Lehrbuch der Zoologie“ heraus. In den folgenden fünf Auflagen (1883–97) erschien es als „Lehrbuch der Zoologie“ mit zahlreichen Abbildungen, das nach seinem Tod von Grobben fortgesetzt wurde. Ab 1878 fungierte C. als Herausgeber der Zeitschrift „Arbeiten aus dem zoologischen Institut der Universität Wien und der zoologischen Station in Triest“. C., der nicht nur als ein angesehener Wissenschaftler, sondern auch als ein hervorragender Lehrer und Vortragender für angehende Mediziner und Zoologen galt, war ab 1871 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, ab 1873 der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien (1876–96 Ausschussrat, ab 1896 Ehrenmitglied), ab 1876 korrespondierendes sowie ab 1885 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Weiters gehörte er u. a. der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft inFrankfurt am Main, dem Verein für Naturkunde zu Kassel, der Societá romana per gli studi zoologici in Rom, der Academy of Natural Sciences of Philadelphia, dem University College in Liverpool sowie der Linnean Society of London an. 1885 zum Hofrat ernannt, wurde ihm 1896 das Ritterkreuz des Leopold-Ordens verliehen.

Weitere W. (s. auch Alth): Die cypris-aehnliche Larve (Puppe) der Cirripedien und ihre Verwandlung in das festsitzende Thier, 1869; Zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Branchipus stagnalis und Apus cancriformis, 1873; Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceen-Systems, 1876; Studien über Polypen und Quallen der Adria, in: Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse 38, 1878; Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung der Medusen, 1883; Neue Beiträge zur Morphologie der Crustaceen, 1885.
L.: NWT, 19., RP, 20. 1. 1899; NDB; G. van Alth, HR Dr. C. C. ... bis 1873 Autobiographie, 1899 (mit W.); K. Grobben, in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien 49, 1899, S. 112ff.; WMW 49, 1899, Sp. 567ff.; W. Marinelli, in: Österreichische Naturforscher und Techniker, 1950, S. 85ff. (mit Bild); Hessische Biografie (Zugriff 24. 2. 2021); evang. Pfarre Wien-Innere Stadt.
(V. Stagl)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 149
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